Für wen lohnen sich awards?

Awards – Sind sie den Preis wert?

Für wen lohnen sich awards?

Nach einigen Jahren Pandemie-bedingter Einschränkungen, wird in der Kreativbranche 2022 wieder kräftig preisgekürt. Doch für wen findet dieses Spektakel eigentlich statt? Und für wen lohnt sich der damit verbundene Aufwand am Ende tatsächlich?

Auch wir als Agentur haben uns von der Idee, einem echten Herzensprojekt mit einem Award zur verdienten Aufmerksamkeit zu verhelfen, schnell gefangen nehmen lassen und eine Bewerbung beim Anbieter unserer Wahl auf den Weg gebracht. Einige Wochen und etliche tausend Euro später, haben wir uns dann von Dortmund aus zum großen Gala-Event in Berlins schicker „Neuer Mitte“ aufgemacht, um die mit der Kür verbundenen Ehren persönlich entgegen zu nehmen. Die Ernüchterung folgte prompt mit dem Betreten der Event-Location. Hunderte Preisträger wuselten wild durcheinander und kaschierten ihre eigene Nervosität durch schnelles Hinabstürzen leichter Alkoholika und dem Verschlingen adretter Kanapees. Ganz so, als wären sie bemüht, sich auf diese Weise wenigstens einen Teil ihrer Teilnahmegebühren wieder einzuverleiben. Den eigenen Preis konnten die zu Feiernden zwischendurch Parterre, praktisch eingetütet, an einer Garderobe in Empfang nehmen. Kaum besser erging es den Top-Preisträgern. Sie erhielten ihren Award im Rahmen einer so genannten Dinner-Gala und in Form eines zwei Minuten-Auftritts, der kaum mehr Zeit ließ, als das Ganze auf die Schnelle in einem Bild festzuhalten, weil bereits die nächsten Preisträger Schlange standen. Wofür sie im Einzelnen geehrt wurden, blieb den meisten Anwesenden an diesem Abend verschlossen.

Wer noch zu Zeiten der Groschenromane aufgewachsen ist, kann sich sicher an die zwielichtigen Annoncen erinnern, in denen Adels- wie Doktortitel zum käuflichen Erwerb feilgeboten wurden. Mit vielen Awards in der Kreativbranche scheint es sich ganz ähnlich zu verhalten. Sie gaukeln den Empfängern – gegen reichlich Cash – eine Würdigung ihrer Projektarbeiten vor, liefern tatsächlich aber lediglich eine Prise falschen Glanz und viele bunte Bilder für die Vermarktung in den sozialen Kanälen. Kurzum: Ein einträgliches Geschäft mit der allzu leicht entflammbaren menschlichen Eitelkeit.

Agenturen gewinnen Awards, weil sie herausragend arbeiten. Awards machen diese herausragende Arbeit sichtbar. Und sorgen dafür, dass die Agentur durch preisgekrönte Arbeiten neue Kunden gewinnt. So stellen wir uns diese Geschichte innerhalb der Branche zumindest vor. Wer gut arbeitet, wird irgendwann dafür belohnt. Im besten Fall zunächst ideell und anschließend auch monetär. Nach den Erfahrungen in Berlin sind wir uns nicht einmal ganz sicher, ob die hier berufene Jury mit unserer Arbeit tatsächlich in Berührung gekommen ist.

220608_Blogbeitrag_Winner_Zwischenbild

Doch tatsächlich geht es in diesem Beitrag gar nicht so sehr um uns selbst. Es geht vielmehr um enttäuschte Illusionen und zerstörte Träume. Wenn wir in die Teilnahme eines Awards investieren, wollen wir damit unsere Kunden und ein engagiertes Projektteam wertschätzen, weil sie sich in außergewöhnlicher Weise mit ihren Möglichkeiten für ein einmaliges Projekt stark gemacht haben. Es geht um „Projektstolz“, der allerdings nur dann zustande kommt, wenn die eingereichte Arbeit auch tatsächlich von Außenstehenden begutachtet und bewertet worden ist. Hier liegt der eigentliche Wert und die Wertschätzung durch einen Award.

Wenn potenzielle Kunden die Website einer Agentur besuchen, wollen sie die Verweise auf gewonnene Awards als Trust-Elemente begreifen können, die Aussagen zur kreativen oder auch technischen Schaffenskraft zulassen. Beide Aspekte finden in der heute praktizierten Form des Award-Marketing im Grunde keinerlei Berücksichtigung. Hier findet sich keine Exzellenz-Jury, die allein aus lauteren Motiven heraus und zum idealisierten Wohle einer Branche über mehrere Monate hinweg potenzielle Kandidaten recherchiert und zugesandte Projektskizzen sichtet, um schlussendlich ein, zwei dutzend würdige und wegweisende Arbeiten mit Löwen, Palmen oder Plexiglas-Trophäen zu bedenken. 

Da trifft es dann wohl eher die These: Ein Preis heißt Preis, weil er einen Preis hat. Und entsprechend repräsentieren Awards kaum mehr als eine weitere Kategorie innerhalb der eigenen Marketing-Strategie, ganz in der Nähe von Suchmaschinen-Marketing, Out-of-Home Kampagnen, Product Placement oder Influencer-Marketing. Ein wenig teurer als SEO, aber immer noch deutlich günstiger als die gute, alte Fernsehwerbung. Solange es der Jury nur gelingt, die schlimmsten gestalterischen Fehlgriffe zu eliminieren, darf sich jeder Hoffnung machen, der einem prominenten Klienten zu ein wenig mehr Renommee verhelfen mag.

Auch bei den Größten der Branche lässt sich inzwischen beobachten, dass ihr Verhältnis zum Thema „Auszeichnungen“ zunehmend Risse erfährt. So ist von der Serviceplan Gruppe überliefert, dass sie 2020 auf die Teilnahme an Awards komplett verzichtet haben, weil das diesbezügliche Budget in keinem passenden Verhältnis zu den im Zusammenhang mit Corona notwendigen betrieblichen Maßnahmen zu stehen schien. Und wenn man bei Jung von Matt schon in den Keller von Hausmeister Carlos gehen muss, um in einer Kiste die teuer bezahlten goldenen Löwen und Hühner zu finden, steckt dahinter einerseits sicher eine große Portion inszeniertes Understatement, auf der anderen Seite aber tatsächlich auch das fehlende Verständnis für einen souveränen Umgang mit diesen zugekauften „Weihen“. Vielleicht ja auch ein Resultat des eigenen, wachsenden Zweifels bezüglich der Glaubwürdigkeit von Awards.

Was sich im Detail an den Award-Anbietern und -Praktiken kritisieren lässt, hat Katharina Stein bereits im März 2016 in dem bemerkenswerten Beitrag „Awards: Wie viel Glaubwürdigkeit und Sinnhaftigkeit sind noch übrig?“ zu Blog gebracht. Grundlegendes dürfte sich in dieser Hinsicht bis heute kaum verändert haben. Das betrifft insbesondere auch die in dem Beitrag kritisierten „Nominierungs“-Mails, mit denen man Agenturen für eine Teilnahme gewinnen möchte, die sich selbst noch gar nicht aktiv darum bemüht haben.

Eine abschließende Meinung zum Thema Award-Marketing haben wir selbst auch noch nicht gefasst. Klar aber ist, dass wir künftig sehr viel genauer hinschauen werden, welche Projekte wir wo präsentieren und zum Feedback anbieten möchten. Vielleicht helfen dabei ja auch Formate, bei denen kein ausgesuchtes Expertengremium tagen muss, sondern bei denen erfahrene Anwender mit großer Begeisterung für ihr Fach über die Arbeiten befinden. Für die digitalen Projekte könnte das etwa awwwards. sein, die mit einem gigantischen Fundus unterschiedlichster Webprojekte aufmachen können und für den bloßen Betrachter einen Quell der Inspiration bieten. Wer hier eine Erwähnung oder gar einen Preis abstaubt, der weiß, dass er sich in exzellenter Gesellschaft befindet.

 

Wie haltet Ihr es mit dem Thema Awards? Ist das damit verbundene Engagement angemessen, weil sich die Sache am Ende für Euch rechnet oder hegt Ihr auch den einen oder anderen Zweifel? Danke Euch für Euer Feedback!

Wer übrigens sehen möchte, welche fantastische Arbeit wir für den Award eingereicht haben, findet Sie als CaseStudy unter unseren Referenzen: Willkommen in der WiloWorld!