Marketing-Strategie für bessere Business-Kontakte

Social Selling – Davor stehe ich mit meinem Namen*

Marketing-Strategie für bessere Business-Kontakte

Alle 11 Minuten verliebt sich ein Entscheider in einen Verkäufer. Er kann gar nicht anders. Eingewickelt in ein Netz aus geteilten Hobbies, Haltungen, Biografien und gemeinsamen Märkten, vermag er sich der empathischen Ansprache seines Gegenübers kaum länger zu entziehen. Und wird zum Kunden. Muss man mehr über Social Selling wissen? Vermutlich schon.

„Du, wir kennen uns doch von irgendwoher?“ Mal ehrlich, hat dieser Opener in Deinem Leben schon irgendwann einmal zu einem heißen Flirt oder gar einer ernstzunehmenden Beziehung geführt? Wohl kaum. Tatsächlich nehmen wir das doch wohl eher als ein Zeichen mangelnder (Ver-)führungsqualitäten wahr, das unverzüglich mit kalten Schultern und abweisenden Blicken honoriert wird.

Was sich im echten Leben also bereits als fataler Rohrkrepierer erwiesen hat, soll im Socialmedia-Kosmos den Auftakt einer unsterblichen Beziehung unter Geschäftsleuten einläuten. Getragen von Gemeinsamkeiten soll ein Band des Vertrauens entstehen, das erst die Herzen und anschließend die Brieftaschen öffnet. So lassen es zumindest zahlreiche Experten, Influencer, CRM-Anbieter und nicht zuletzt die sozialen Portale selbst seit knapp zwei Jahren vermuten und entfachen in ihrer Online-Gemeinde eine Art Goldgräberstimmung, von der sie anschließend als „Spatenverkäufer“ durchaus selbst zu profitieren gedenken. Und das eingängige Buzzword „Social Selling“ erweckt dabei unterschwellig auch noch den Eindruck, als könne es sich hier gar um ein Anliegen mit gemeinnützigem Charakter handeln.

Doch werden wir nicht ungerecht. Die Nutzung von Socialmedia für den Vertrieb erspart vielen Unternehmen etliche nervtötende Anrufe stoischer Kaltakquisiteure. Diese verbreiten heute viel lieber inflationär automatisierte „InMails“ in der Hoffnung, dass irgendein Wurm den Fisch schon zum Fliegen bringen wird, wenn man die ganze Dose nur breit genug über dem See verteilt.

Schon vor rund 10 Jahren haben die kongenialen Kollegen von dojo pointiert das Thema Personal Branding (dem „Erfolgsgeheimnis“ des Social Sellings) aufgegriffen und deren merkwürdig-skurrile Anmutung innerhalb eines *Werbespots für Gemüse-Döner persifliert. Jenem Spot verdankt dieser Beitrag übrigens seine Überschrift. Damals ging es noch um klassische Fernsehwerbung und einen illustren Kreis darstellungswilliger Konzernkapitäne, heute – in Zeiten von Socialmedia – fühlen sich viele berufen und feilen gewissenhaft und akribisch an ihrem Profil in der weltgrößten Börse für paarungswillige Unternehmenslenker und Salesprofis. Daraufhin treten sie dann, mit einem kleinen Drink in der Hand, raus in die virtuelle Welt und stürzen sich auf die Online-Adaption des wichtigsten Tagesordnungspunkts eines jeden Business-Events: dem Netzwerken. Es wird geliked, kommentiert und gepostet, was das Zeug hält und sehnsüchtig auf Reaktionen zu den eigenen Aktivitäten gewartet. Ganz so, wie wir es seit langem lächelnd bei den Social-Natives in unserem familiären Umfeld registrieren. Die Kontaktanfrage als höchste Form persönlicher Wertschätzung. Und die Selfie-Kultur beginnt sich bei LinkedIn gerade erst so richtig zu entwickeln…

Aber Moment. Was genau möchte ich mit meinem Beitrag eigentlich kritisieren? Gehöre ich nicht selbst zu denen, die fleißig Gedanken, Referenzen und so manch anderes auf Portalen wie LinkedIn teilen und sich gleichermaßen über positive Resonanz auf ihre Posts freuen? Natürlich. Das ist so. Keine Frage. Nur halte ich Social Selling mitnichten für eine Form des Vertriebs. Social Selling kann perspektivisch zu Vertriebserfolg führen, wie es beim Marketing ganz allgemein der Fall sein sollte. Denn konzeptionell und strategisch betrachtet, vermag ich kaum einen Unterschied zwischen Inbound Marketing und Social Selling wahrzunehmen. Ich würde sogar noch weitergehen und behaupten, dass Social Selling lediglich ein – wenn auch bedeutender – Teilbereich des Inbound Marketings ist. Seine Besonderheit erlangt Social Selling dadurch, dass es sichtbar potentielle Lead-Optionen aufzeigt und Aussicht auf eine rasche Interaktion verspricht. Grund genug für einen eifrigen „Vertriebler“ der Verführung zu unterliegen und am Ende aus dem angedachten „Pull-Ansatz“ kurzerhand wieder einen „Push-Ansatz“ zu stricken und damit Frust in die Community zu tragen. Denn niemand möchte sich in einem geselligen Umfeld gerne auf ein bloßes Objekt zur Erlangung eines dahinter stehenden „höheren“ Ziels reduzieren lassen. Diese Art des „Business machens“ hat auch beim klassischen Event-Networking noch nie wirklich gut funktioniert. Und wird es in der Social Community ebenso wenig.

Es wäre wünschenswert, wenn sich diese Erwartungshaltung zum Wohle aller Beteiligten wieder ein Stück weit herunterkochen ließe. Socialplattformen bieten eine Bühne, sich als Persönlichkeit wie auch als Unternehmen ins Licht zu rücken, wie es auf anderen Wegen nur mit großem Aufwand möglich ist. Nicht mehr und nicht weniger. Damit bilden sie ein Bedürfnis ihrer Zeit hervorragend ab. Ein anderes Bedürfnis der Zeit aber besteht darin, nicht einfach mehr mit platter Werbung oder unaufgeforderten Angeboten belästigt zu werden. Wer so verfährt, der riskiert einen dauerhaften Vertrauensverlust und erreicht maximal das Gegenteil seiner Absichten. Social Marketing mag nicht so sexy klingen, weil es so entkoppelt vom Salesfunnel scheint, ist im Grunde aber die ehrlichere Deutung des Social Selling. Denn ebenso wenig, wie auf einer Messe „Geschäft geschrieben“ wird, findet so etwas auf einer Social Plattform statt. Anbahnung trifft es besser und für den Abschluss braucht es dann ohnehin einen Medienwechsel.

Warum Social Selling dennoch nützlich ist

Wer fernab meiner nicht ganz wertfreien Einlassungen erfahren möchte, wie er Social Selling in seine Vertriebs- und Marketing-Aktivitäten einbinden kann, wird im Web in vielerlei Hinsicht problemlos fündig. Dafür hier noch auf die Schnelle einige kurze Anregungen:

LinkedIn

Vor allem für diejenigen, die sich um spannende Kontakte und Leads im B2B-Umfeld mühen, ist die Plattform LinkedIn – die seit Dezember 2016 zu Microsoft gehört – die erste und wichtigste Anlaufstelle. Und das liegt gar nicht mal allein an den rund 600 Millionen Nutzern, die sich hier versammeln, sondern vor allem auch an nützlichen Features wie etwa Recherche- und Filteroptionen, mit deren Hilfe man diese auf den persönlichen eigenen Anspruch hin selektieren kann. Eine exzellente Grundlage zur Erschließung des eigenen Themenumfelds und Zielmarkts. Weiter bietet der Marktführer natürlich auch eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Präsentation und Ausspielung des eigenen wie des unternehmerischen Profils. Über eine Echtzeitanalyse wiederum lässt sich tagesscharf ermitteln, für wie erfolgreich die hauseigene AI die Aktivitäten seiner Nutzer hält. Gemessen wird dieses anhand vier verschiedener essentieller Faktoren: 1. Den eigenen Markenprofil (kurz: dem Personal Brand), 2. Dem Aufbau des eigenen Netzwerks (Relevanz schlägt Masse), 3. Der Bereitstellung von insights und Inhalten sowie 4. Dem Aufbau und der Pflege von Beziehungen (Interaktion). Begutachten lässt sich diese Anbieter-Einschätzung – inkl. eines Branchen- und Netzwerkvergleich – jederzeit im so genannten Social Selling Index. Alle notwendigen Informationen zur erfolgreichen Bespielung dieses Kanals finden sich vor allem beim Anbieter selbst. Für alle vertrieblich orientierten Nutzer empfiehlt die Plattform zusätzlich den Sales-Navigator als Update auf den Standard-Account. Dieser hilft insbesondere bei der Selektion von Unternehmen, der Recherche optimaler Adressaten sowie dem Erkennen bestehender Hierarchielinien.

Xing

Als OpenBC und lange Zeit auch unter dem aktuellen Namen das führende deutsche Portal für Business Kontakte, zählte das Portal im Januar 2021 nach eigenen Angaben rund 19 Millionen Mitglieder. Auch hier lassen sich persönliche Profil- wie Seiten des eigenen Unternehmens anlegen und auch Special-Interest Gruppen ins Leben rufen.  Die Interaktion zwischen den Mitgliedern ist allerdings spürbar schwächer und der eigene Newsstream – also der Teil, in dem die Mitglieder einer durch die AI zugeordneten Bubble miteinander ins Gespräch kommen sollen – fühlt sich nicht besonders nutzerfreundlich und motivierend an. Man hat bei Xing aber auch nicht den Eindruck, dass hier tatsächlich Unternehmen zueinander gebracht werden sollen. Vielmehr hat sich das Portal im Laufe der Zeit immer stärker den Themen Recruiting und Eventplanung verschrieben und das durch verschiedene Zukäufe auch noch untermauert. So lässt sich das Portal selbst heute einerseits als nationale Stellenbörse begreifen, auf der professionelle Recruiter gezielt nach Kandidaten Ausschau halten, die sie für die Besetzung einer Position akquirieren können und andererseits als Ticketing-Service mit dem sich Events terminieren und administrieren lassen. Für das persönliche Beziehungsmanagement ist Xing bei mir inzwischen nicht mehr die erste Wahl, weshalb ich meinen langjährigen Premiumaccount 2021 auch tatsächlich gekündigt habe.

Hubspot

Auf Hubspot stößt man sehr schnell, wenn man sich mit dem Thema Inbound-Marketing oder mit der Marketing-Automatisierung beschäftigt. Im Grundsatz handelt es sich um ein CRM System, dass seine Aufgabe aber nicht allein in der passiven Organisation und Aggregation von Daten begreift, sondern vielmehr auch ganz aktiv zum Erheben und Sammeln von Daten beitragen möchte. Hierzu werden Services und Applikationen zum Ausspielen von Inhalten bereitgestellt und mit einem intelligenten Leadmanagement verknüpft. Vergleichbare Anbieter in diesem Bereich sind Adobe, Salesforce oder SAP.

Vor allem für die Bereiche Vertrieb und Marketing bietet Hubspot einen immensen Fundus an kostenlosen Whitepapern, Newslettern und Abstracts zu unterschiedlichsten Themen. Als Spezialist für Inbound-Marketing haben sie sich entsprechend auch unserem Thema gewidmet und ein Social Selling E-Book publiziert, dass diesen Bereich von den verschiedenen Seiten her beleuchtet und einen wirklich guten Einstieg ermöglicht.

Coaching

Wem „learning by doing“ oder ein Selbststudium per E-Book als zu aufwändig oder nicht zeitgemäß erscheint, findet im Web selbstverständlich auch unterschiedlichste Coaching-Angebote, wie beispielsweise das der Social Selling UG oder den Udemy-Kurs: Social Selling: Der moderne Verkauf über Social Media.

Schlusswort

Am Ende ist es relativ egal, wie Ihr zum Thema Social-Networking oder Inbound-Marketing steht. Gerade wer im Bereich Marketing und Vertrieb unterwegs ist, sollte sich bei diesem Thema aufschlauen, um festzustellen, inwieweit es für ihn relevant sein könnte. Denn dieses Thema ist kein Hype, sondern wird uns in den kommenden Jahren weiter verfolgen. Und wer als Unternehmer oder Marketing-Entscheider für eine interessante Company Verantwortung trägt, sollte zumindest eine Vorstellung davon gewinnen, warum da jemand auf LinkedIn jeden seiner Beiträge stalked und selbst über die eher lauen Witze jedes Mal virtuell vor Lachen laut losprustet. Und er könnte vielleicht seinerseits irgendwann dazu übergehen, wichtige Benchmark-Prozesse bei der Lösungs- und Dienstleister-Auswahl über eine geschickte LinkedIn-Nutzung abzukürzen und effizienter zu gestalten.