Gen Z – Zwischen Berufung und Broterwerb

Ein bestens bezahlter, Sinn-stiftender Halbtagsjob, der sich flexibel in die vielfältigen Belange des Privatlebens einbinden lässt bei einem Arbeitgeber, der seiner ökologischen und sozialen Verantwortung gerecht wird und jederzeit einen respektvollen Umgang sowie den Austausch auf Augenhöhe gewährleistet. So in etwa bringen die Medien die berufliche Orientierung der GenZ aktuell auf den Punkt.

Wir wissen nicht, was die omnipräsente Online-Stellenbörse „Indeed“ bei einer solchen Stellenanfrage an Ergebnissen zutage fördern würde, ahnen aber zumindest, dass der bestehende, nationale Arbeitsmarkt mit derlei Rahmenbedingungen noch ein wenig fremdeln dürfte. Dennoch wird er sich zwangsläufig zeitnah mit diesen veränderten Begehrlichkeiten beschäftigen müssen. Denn der Bedarf an Nachwuchs ist in vielen Unternehmen gewaltig und der konservative Ansatz „throw money at the problem…“ in dieser Frage wohl nicht wirklich zielführend. Wer künftig Menschen für sich gewinnen möchte, die für das eigene Unternehmen „brennen“, wird hierfür gute Gründe liefern und neue Maßstäbe entwickeln müssen.

Kein Wunder also, dass sich inzwischen bereits viele Unternehmen bei der Frage, wie sie die „jungen Leute“ für sich gewinnen können, fachliche Unterstützung direkt aus der Altersgruppe holen. Jo Dietrich (25 Jahre) und Yaël Meier (22 Jahre), die Gründer von „Zeam“, sind solche Berater und können sich inzwischen vor Anfragen von Unternehmen wie Mercedes Benz, Allianz oder einer Reihe Schweizer Banken kaum mehr retten. Was sie genau anbieten und wie sie vorgehen, verrät der Artikel „Betreuung statt Führung: Die Gen Z hat eine eingebaute Burn-out-Sperre“ aus der Wirtschaftswoche vom 08. September 2022. Wichtig ist es ihnen in jedem Fall darzulegen, dass Arbeitgeber lernen müssen, mit den zum Teil mächtigen Anforderungen der Kandidaten zurecht zu kommen und Vorgesetzte zudem neue Führungsstrategien benötigen. Die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitnehmermarkt hätten sich deutlich zugunsten der Bewerber gewandelt und reduzieren Unternehmen immer häufiger auf die Rolle als Werbender und Bittsteller.

Die Herausforderung der Recruiter besteht vor allem darin, dass hohe Gehälter stillschweigend vorausgesetzt werden und im Gegensatz dazu das Interesse an einer beruflichen Karriere oder tiefen Verbundenheit zum Arbeitgeber massiv abgeklungen ist. Einstellungsgespräche, in denen gleich die Optionen eines Sabbaticals thematisiert werden, sind inzwischen wohl längst keine Seltenheit mehr.

Die Ursachen hierfür sind sicher vielfältig, lassen sich inzwischen – in unterschiedlicher Ausprägung – aber sogar weltweit beobachten. Allen gemein scheint indes eine mentale Aufkündigung tradierter Weltbilder und Wertvorstellungen durch die jüngere Generation. So konnten wir schon im vergangenen Jahr vom „Tangping“ in China lesen, mit dem sich junge Chinesen symbolisch über das „flachliegen“ vom Druck der Leistungsgesellschaft zu befreien versuchen. Im Spätsommer dieses Jahres wiederum erlangte der 24-jährige New Yorker Zaid Khan mit einem TikTok-Clip weltweite Aufmerksamkeit, in dem er einer neuen, weltweiten Bewegung des „Quiet quitting“ eine argumentative Grundlage verpasste. „Du kündigst nicht“, erklärte er in dem Clip, „aber Du gibst die Idee auf, mehr zu tun, als Du willst. Du erfüllst immer noch Deine Pflichten, aber Du folgst nicht mehr der Mentalität der Hustle Culture, dass die Arbeit Dein Leben sein muss.“ Und Anita Blasberg, von der das Khan Zitat stammt, weiß in ihrem Zeit-Artikel „Stell Dir vor, es ist Kapitalismus, und keiner geht hin“ vom 12. Oktober 2022 mit Verweis auf eine im Spiegel veröffentlichte YouGov-Studie zu berichten, dass Quiet quitting kein ursächlich anglo-amerikanisches Phänomen darstellt: „Die Deutschen haben immer weniger Lust zu arbeiten,… Fast jeder Zweite im Land würde gern in Teilzeit wechseln, 56 Prozent erklärten gar, sie würden ihren Job sofort aufgeben, wenn sie sich das finanziell leisten könnten…vor allem bei den Jüngeren nimmt die Bindung an die Arbeit und ihre Arbeitgeber ab.“

Die Pandemie, mit all ihren Begleiterscheinungen, hat die Situation augenscheinlich noch einmal deutlich zugespitzt. Hier schreibt Blasberg in dem benannten Beitrag: „The Great Resignation oder The Big Quit, der große Ausstieg nennt man in den USA jenes Phänomen, dass 57 Millionen Amerikaner zwischen Januar 2021 und Februar 2022 ihre Jobs hingeschmissen haben, so viele wie selten zuvor laut dem US Bureau of Labour Statistics.“ Die größte Gruppe in dieser Statistik waren Arbeitnehmer unter 35 Jahren.

Ganz offensichtlich hat die Gen Z ein Problem mit den Lebensentwürfen ihrer Elterngeneration. Sie misstraut deren Leistungsgedanken, wie auch deren Wunsch nach gesellschaftlichem Aufstieg, Teilhabe und Wohlstand. Damit geraten sowohl der Glaube an das uneingeschränkte Wirtschaftswachstum wie auch zentrale Generationsverträge (Sicherung der Rente) deutlich ins Wanken. Eltern taugen nicht länger zum Vorbild, sondern stören im Extremfall sogar das psychische Wohlergehen ihrer Kinder. Ein prägnantes Beispiel hierfür liefert Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort in seinem Buch: „Mutlose Mädchen. Ein neues Phänomen besser verstehen“ (2022), in dem er heranwachsende Mädchen beschreibt, die ihre Wirklichkeit – motiviert durch die Betrachtung ihrer Mütter – nur noch als bedrohlich und in weiten Teilen überfordernd wahrnehmen.

Im Zuge von Corona eher aus der Not geborene Modelle wie Mobile Office, Zoom oder virtuelle Messen, haben ein neues Verständnis der viel gepriesenen „Work-life-balance“ hervorgerufen, bei der die Arbeit nicht selten in den übrigen Lebenskontext eingebunden und in ihrer Bedeutung gegenüber früheren Zeiten abgewertet wird. Die dabei gewonnene Lebensqualität wiegt für die Gen Z dabei mögliche Gehaltsverluste schnell auf. Ohnehin relativiert sie die Bedeutung des Geldes dahingehend, dass sie – in Anbetracht der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung – die Aussicht auf monetäre Teilhabe deutlich anzweifelt. Explodierte Immobilienpreise und eine schleichende Entwicklung am Kapitalmarkt, lassen eine rein auf Arbeit basierende Entwicklung von Wohlstand für breite Schichten des Mittelstands heute wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit erscheinen. Und wenn etwas unerreichbar erscheint, muss man sich auch nicht umständlich danach strecken.

Für Unternehmen wird es mit Blick auf den beruflichen Nachwuchs also immer wichtiger werden, den Sinn des eigenen Schaffens zu vermitteln und Grundlagen zu schaffen, die eine Entwicklung aus innerem Antrieb und gewonnener Überzeugung ermöglicht. Die Gen Z wird sich nur dann als Arbeitskraft gewinnbringend einbringen, wenn sie sich inhaltlich mitgenommen, persönlich ernstgenommen und organisatorisch aufgenommen fühlt. Und das kostet Zeit und Aufmerksamkeit.